Auf den ausdrücklichen Wunsch der Verfasser:innen hin dokumentieren und veröffentlichen wir hier folgendes Statement, das uns per Mail erreichte. |
Als die Kulturkneipe Sabot ihre Räumlichkeiten verlor, überkam viele der (vor allem weiblich gelesenen) Mitglieder, Ehemaligen und Menschen aus ihrer Umgebung ein ungeahntes Gefühl der Erleichterung, obwohl sie sich jahrelang für das Sabot engagiert haben, oft weit über ihre persönlichen Grenzen hinaus. Für das Ideal oder eher für das leere Versprechen eines linken Freiraums waren viele Menschen bereit ihre Freizeit und Energie in den Verein und den Keller zu investieren.
Verantwortungsgefühl und Solidarität gegenüber dem Laden war anfänglich der Grund für einen Beitritt, doch es war nie genug. Immer wieder wurde das Gefühl vermittelt, dass jeden Moment alles zusammenbrechen werde und der Verein kurz vor dem Ende ist, wenn nicht alle ihre letzte Kraft aufwenden. Plenum um Plenum wurde das schlechte Gewissen forciert, dafür nicht genug gegeben zu haben – oder schlicht dafür noch ein Leben außerhalb der Struktur zu führen. Plenum um Plenum – Jahr für Jahr. Viele der Verfasser:innen dieses Textes opferten ihre physische und psychische Gesundheit auf, um den vermeintlich anstehenden Zerfall eines linken Freiraums aufzuhalten.
Es ist allerdings kein Freiraum, wenn er nur für bestimmte Menschen – weiße Hetero-Männer – einer ist. Einige von diesen inszenierten sich dabei mit ihren vermeintlich emanzipatorischen Ansprüchen als gute Feministen und manipulierten gleichzeitig Frauen* und Männer* außerhalb ihres Kaders. Dadurch versuchen sie das eigene Fehlverhalten zu normalisieren oder als alternativlos zu präsentieren. Das passierte, indem sie ausgewählte Mitglieder in ihren Kreis zogen und damit auch in die Mitschuld, wodurch eine Kritik an den bestehenden Verhältnissen besonders widersprüchlich und schwer zu formulieren wurde.
Schließlich haben sich alle auch an den bestehenden Dynamiken aktiv beteiligt. Während allerdings die männlichen Mitglieder dadurch einen Teil der Macht abbekamen, wurden die davon betroffenen Frauen* eher als Schutzschild instrumentalisiert und zur Verteidigung herangezogen, wenn es den nächsten Mackervorwurf gab. „Der ist nun mal so; er macht doch nur Spaß; er meint das nicht so; so muss das sein, sonst funktioniert ja nichts.“
Es ist ein bekannter Täterschutz-Mechanismus, der einigen der Verfasser:innen erst mit Abstand zu den Geschehnissen bewusst geworden ist und es schwer gemacht hat, den Ausstieg aus dieser psychologischen Falle zu finden, geschweige denn dagegen vorzugehen. Die Frauen* hingegen, die das Problem erkannten – oftmals durch frühere Erfahrungen in ähnlichen linken Strukturen – und es ansprachen, wurden diffamiert oder systematisch aus dem Verein gedrängt. Denn genau diese bedrohten die schöne Spielwiese der unreflektierten Männlichkeit.
Die fleißige Hierarchiebildung („wir machen viel mehr als andere“) und die Verstrickung in Machtkämpfe, die eigentlich ein Armutszeugnis für die linke und DIY Szene sein sollten, waren kein Einzelfall. Das Ansprechen und die Kritik dieser Mechanismen wurde runtergespielt, nicht ernst genommen oder als Neid oder Profilneurose wegargumentiert. Verdrängung und Projektion.
Obwohl Teile dieser Problematik zum Ende der Sabot-Zeit hin immer wieder angesprochen wurden, wurde sie innerhalb der Sabot-Struktur weder verstanden noch aufgearbeitet. Von wem denn auch? Alle Frauen*, die auch im Sabot faktisch für die emotionale Carearbeit zuständig waren, traten aus dem Verein aus und befreiten sich aus den toxischen Verhältnissen. Und auch im Nachhinein sind es größtenteils die betroffenen Frauen*, die sich seither immer noch mit der Aufarbeitung der Dynamiken, die teilweise tiefe Spuren hinterlassen haben, beschäftigen.
Für diese Frauen* und alle Verfasser:innen dieses Textes ist es nicht verhandelbar, dass das Sabot tot ist und nicht wiederbelebt werden sollte. Das Sabot ist als linker Freiraum gnadenlos gescheitert. Wer unter diesem Label weiterhin agiert, ohne eine vorherige intensive Aufarbeitung der Geschehnisse, verkennt den Ernst der Lage.
Für Betroffene ist es schwer zu ertragen, dass unter diesem Namen jetzt wieder um linke und subkulturelle Solidarität geworben wird, obwohl für uns das Sabot genau für das Gegenteil von einem solidarischen Miteinander steht. Viele von uns sind schon seit dem Ende des Sabots und bis jetzt immer wieder in Erklärungsnot geraten, warum sie den Laden nicht mehr unterstützen wollen. Deswegen ist für uns jetzt der Zeitpunkt gekommen, uns zusammenzutun und Teile der Problematik öffentlich zu kritisieren.
Wir wollen keine Wiedereröffnung des Sabots in Wiesbaden! Seid solidarisch – aber mit den Betroffenen, nicht mit einer Struktur, die sich jeden Anspruch auf Solidarität verspielt hat!
Verfasst von ehemaligen Sabot-Mitgliedern, Betroffenen und Personen aus dem Umfeld