Zur ästhetisierenden Selbstinszenierung des ZPS auf dem Rücken der Opfer der Shoah
Das „Zentrum für politische Schönheit“ (ZPS) hat mit seiner jüngsten Aktion „Sucht nach uns“ ein neues Maß an Verhärtung und Widerwärtigkeit erreicht. In der ersten medienwirksamen Inszenierung der Aktion wurde diese so dargestellt, dass das ZPS an verschiedenen Orten nahe Auschwitz und anderen ehemaligen Vernichtungslagern Bodenproben entnommen habe, die Asche der dort Ermordeten enthalten solle. Diese Bodenproben wurden in Denkmälern – je als Kern einer Säule – in mehreren Städten aufgestellt, unter anderem in Berlin an dem Ort, wo früher die Kroll-Oper stand, dort also, wo 1933 eine Mehrheit des Deutschen Reichstags für das Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten abstimmte. Ziel der Aktion sei es, die CDU wegen ihrer möglichen Kooperation mit der AfD zu ermahnen. Sicherlich könnte man an dieser Stelle ein Mahnmal errichten. Und den benannten aktuellen Tendenzen politisch (und auch künstlerisch) etwas entgegensetzen zu wollen, wäre auch kein falsches Anliegen. Die Form der Aktion lässt jedoch daran zweifeln, ob das die alleinige Motivation des ZPS ist.
Wie es ihre Art ist, schlachteten sie die Aktion noch durch eine Crowdfunding-Kampagne aus, in der unter anderem „Schwurwürfel“ mit besagten Bodenproben zu erwerben waren. Nach dem ersten einkalkulierten medialen Skandal ergänzte das ZPS auf der Webseite in der Beschreibung: „Bodenproben, negativ“. Als Andenken verkauft werden also nur die Bodenproben, in denen zufällig keine menschlichen Überreste gefunden wurden. Als würde es das besser machen. Es ist mehr als perfide, wenn in Umkehr die Asche von Opfern der Shoah dann also bürokratisch als „Bodenprobe, positiv“ vermerkt wurde und diese damit – nochmals – völlig entpersonalisiert und entmenschlicht wurden – und eben nicht, wie das ZPS es selbst behauptet, „der Lieblosigkeit entrissen“. Die sogenannten „positiven Bodenproben“ wurden nicht nur entnommen, sondern per Post ins Labor verschickt. Es liegt sogar der begründete Verdacht vor, dass eine davon auf dem Postweg verloren ging (vgl. https://www.ruhrbarone.de/zps-ueberreste-juedischer-opfer-verloren-gegangen/176335).
Wie sehr sie zwischenmenschlich verhärtet sind, zeigte das ZPS zudem damit, dass sie keinen Gedanken daran verschwendet haben, im Vorfeld mit lebenden Jüdinnen und Juden zu sprechen. Sonst hätten sie vielleicht respektiert, dass nach dem ethischen Verständnis des Judentums die Totenruhe keinesfalls gestört werden darf, oder dass für Überlebende und Nachfahren von jüdischen wie nichtjüdischen Opfern des Nationalsozialismus die Vorstellung unerträglich sein kann, dass deren Asche zur Schau gestellt wird, um – wie das ZPS schrieb – die deutsche Demokratie „bis aufs Messer (zu) verteidigen“ – vor allem also, um sich selbst als gute deutsche Demokrat*innen fühlen zu können. Leo Fischer beschreibt dies als eine vierte Phase der deutschen Gedenkkultur – als „Nationalstolz nicht trotz, sondern wegen Auschwitz“ – und bemerkt: „In Wirklichkeit war nichts an der Aktion geeignet, Konservative oder gar Rechte zu irritieren.“ (https://www.neues-deutschland.de/artikel/1129787.zentrum-fuer-politische-schoenheit-haemisches-gedenken.html).
Da hilft es auch nicht, dass das ZPS der Aktion als Legitimations-Motto alibimäßig folgendes Zitat von Salmen Gradowski, einem der Anführer des Aufstandes in Auschwitz-Birkenau und Opfer des Nationalsozialismus, voranstellte: „Suchet in der Asche. Die haben wir verstreut, damit die Welt sachliche Beweisstücke von Millionen von Menschen finden kann.“ (vgl. https://politicalbeauty.de/sucht-nach-uns.html) – als wäre die Aktion des ZPS die erste Art von Erforschung oder Enthüllung dieser furchtbaren Verbrechen. Ramona Ambs, eine jüdische Schriftstellerin und Journalistin, kommentierte hierzu: „Er wollte, dass die Welt erfährt, was passiert ist. Er wollte, dass man weiß, wer verloren ging (…). Er hat nicht gesagt: ‚nehmt unsere Toten, grabt sie aus, stopft sie in eine Säule und beleuchtet sie, damit die Nachfahren der Täter mal wieder moralische Selbstbesoffenheit feiern können.‘“ (zit. n. https://www.ruhrbarone.de/zentrum-fuer-politische-schoenheit-wenn-die-ruhe-der-toten-nichts-gilt-sind-auch-die-lebenden-egal/176166)
Es hagelte dann auch Kritik verschiedenster jüdischer Verbände und Institutionen und auch weiterer Akteure und Medien (zu einer kleinen Presseschau der Reaktionen vgl. https://www.ruhrbarone.de/zentrum-fuer-politische-schoenheit-zynische-shoa-show-wird-zum-desaster-fuer-ruchs-pr-kuenstlertruppe/176217#). Selbst wenn die ganze Aktion eine Farce gewesen, alle Bodenproben sich nur als symbolisch an ganz anderen Orten entnommene Erde entpuppt hätten, würde es die Aktion nicht rechtfertigen. Veronique Brüggemann schreibt dazu im Spiegel: „Ob tatsächlich oder symbolisch – die Aktivisten haben sich die Toten angeeignet, ohne Rücksicht auf die Gefühle der Juden in Deutschland, der Überlebenden und ihrer Angehörigen.“ (https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/zentrum-fuer-politische-schoenheit-die-aktion-macht-holocaust-opfer-wieder-zum-objekt-a-1299431.html)
Sandra Kreisler bringt in ihrem Podcast-Beitrag wunderbar auf den Punkt: „Die Juden sind nur Wertstoff um die Leiden von aller Welt zu bebildern. (…) Die Crux an der Sache ist eben nicht, dass man erinnert, sondern wie man es tut. Und hier zeigte das ZPS genau die gleichen Denkschwächen, die uns altbekannt sind. (…) Es macht Erinnerungskultur wie man sie in Deutschland gewöhnt ist – auf dem Rücken der Juden, um sich selbst gut zu fühlen.“ (https://www.mena-watch.com/podcast-sandra-kreisler-folge-12-das-zentrum-fuer-weiterso-macht-eine-promotionposse/)
Dass das ZPS nun nach dem (freilich eiskalt einkalkulierten) medialen Aufschrei, insbesondere aber nach öffentlicher Intervention vieler jüdischer Menschen und Verbände, eine Entschuldigung veröffentlicht hat, macht das Ganze nicht besser. Die erste Reaktion des ZPS (eine inzwischen gelöschte Antwort auf Kritik auf Twitter) lautete noch: „Wo waren die Opfer des Holocaust, bevor wir anch (sic!) ihnen gesucht haben? Wir hoffen, dass die Angehörigen wertschätzenkönnen (sic!) das (sic!) wir die Opfer des Holocaust der Lieblosigkeit entrissen haben.“
Aber auch die jetzige Entschuldigung klingt eher nach einer hohlen Phrase: Das ZPS sagt, es habe „den zentralen Wirkungsaspekt unserer Arbeit nicht im Vorfeld erkannt“ (https://politicalbeauty.de/). Hier wird deutlich: Es geht um das Spielen mit schockierender und verstörender Wirkung, und diesmal hat das ZPS das strategische Spiel verloren und muss klein beigeben – die Säule wird verhüllt, der „Zapfenstreich“ abgesagt und die Crowdfunding-Kampagne gestoppt. Auch fünf weitere Säulen mit Bodenproben in anderen Städten wurden nach der Stellungnahme abgebaut. Das wirkt noch mehr wie ein strategisches Rückzugsgefecht anstatt einer aufrichtigen Reflexion der eigenen Fehler, da das ZPS zuvor behauptet hatte, das weitere Vorgehen in Absprache mit dem Zentralrat der Juden zu planen – was Josef Schuster, Präsident des Zentralrats, jedoch dementierte; ein geplantes Telefonat mit dem ZPS wurde wegen dessen unseriösem und Aufmerksamkeit erheischendem Verhalten abgesagt (vgl. https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/unserioeses-vorgehen/).
Zudem endet die Erklärung mit suggestiv gestellten Fragen danach, wohin denn nun die Asche der Ermordeten gebracht werden solle, um ihre „letzte Ruhe“ zu finden – eine freilich alte Frage, die schon von vielen Rabbinern dahingehend beantwortet wurde, dass Auschwitz und die anderen Vernichtungslager als Friedhöfe ohne Gräber betrachtet werden. Auf dieser Grundlage hat etwa auch Volker Beck Strafanzeige gegen das ZPS wegen „Störung der Totenruhe“ gestellt (vgl. https://www.ruhrbarone.de/volker-beck-stellt-strafanzeige-gegen-das-zentrum-fuer-politische-schoenheit/176147). Das ZPS muss sich nun jener Frage ganz praktisch stellen, die aber nicht durch die nachfolgende Debatte, sondern durch die Aktion des ZPS selbst neu aufgebracht wurde. Ganz erleichtert, dieser Verantwortung gerade noch entkommen zu sein und sie auf Betroffene abgewälzt haben zu können, wirkt der Post des ZPS: „Die orthodoxe Rabbinerkonferenz hat sich am Freitag der Asche angenommen. Dafür sind wir sehr dankbar.“ Dann kann man auch einfach schnell das Konzept „überarbeiten“ und die Aktion trotzdem mit demselben Tenor weiterführen wie zuvor, nur eben die Asche nicht mehr ganz so sichtbar instrumentalisiert zur Schau stellen: Die Säule wurde „als Schwur- und Gedenkstätte“ betoniert, allein: „Die Asche wurde entfernt.“ (https://politicalbeauty.de/) Nicht nur die Wahl der Form eines Schwurs als recht unzeitgemäßes politisches Ritual wirkt dabei befremdlich. Wie geschichtsvergessen das ZPS dabei vorgeht, zeigt auch die Wahl des Schwurspruches auf der Säule, der laut ZPS „aus dem Jahr 410. v. Chr.“ stammt. Deutsche sollen sich nun also auf diesem Platz versammeln, um sich auf irgendeine quer durch die Geschichte konstruierte „Demokratie“ zu vereidigen – übrigens wiederum: auf den „Tod durch (…) eigne Hand (…) jedem der die Demokratie zerstört“; ein Aufruf zur Selbstjustiz also. Und nebenbei soll das irgendwie auch noch spezifisch dem Gedenken an die Opfer der Shoah gerecht werden können. Es ist schon ein starkes Stück, sich nach all der Kritik am Vorgehen und der Form der Aktion so aus der Affäre ziehen zu wollen und sich offensichtlich irgendwie immer noch im Recht zu fühlen.
Die Problematik greift aber noch weiter: Die Instrumentalisierung der Opfer durch das ZPS nutzt diese nicht nur als Mittel für einen scheinbar politisch ‚guten Zweck‘. Und auch dieser würde bei weitem nicht die Mittel heiligen, wie diverse Social-Media-Kommentare von Befürworter*innen im Nachhinein als Verteidigung anbringen wollen (vgl. zu einem worst of: https://www.ruhrbarone.de/der-tod-ist-ein-humanist-aus-deutschland/176273). Die Instrumentalisierung und das Schockmoment solcher Aktionen dient vielmehr vor allem als Abgrenzungsfolie für das gemeinschaftliche Erleben einer problematisch gedachten ‚Schönheit‘. Philipp Ruch, der Gründer des ZFP (zur Kritik an Ruch vgl. auch https://www.neues-deutschland.de/artikel/1129787.zentrum-fuer-politische-schoenheit-haemisches-gedenken.html), formuliert in seinem Buch „Wenn nicht wir, wer dann?“ (2015) ein solches Verständnis von Ästhetik, das sich zwischen martialischen Anklängen und einer Flucht vor der Welt ins Ästhetische bewegt, wie Wolfgang Ullrich in seiner sehr empfehlenswerten Analyse aufgezeigt hat (http://www.pop-zeitschrift.de/2017/11/07/die-wiederkehr-der-schoenheit-ueber-einige-unangenehme-begegnungenvon-wolfgang-ullrich07-11-2017/; alle Zitate im folgenden Absatz stammen aus Ruch 2015, zit. nach Ullrich 2017).
Ruch beschreibt „die Schlagkraft der Schönheit“ als „das Erdbeben unserer Existenz“, das „ein ganzes Leben zerkrachen lassen könne“. In der Gegenwart leide der Mensch darunter, „Schönheit nicht mehr zu fühlen“, die jedoch „für den Reichtum der Seele unabdingbar“ sei. Ruch definiert die künstlerisch-schockhaften Aktionen als „Handlungen mit moralischer Lichtintensität“. Sie dienen also vor allem den verhärteten Subjekten der Mehrheitsgesellschaft, die sich entfremdet und dem „perfekten Nihilimus“, also der Gleichgültigkeit, anheimgegeben fühlen und endlich mal wieder etwas ‚Echtes‘ fühlen wollen – am liebsten irgendwas Überwältigendes. Wie schön. Wolfgang Ullrich fasst entsprechend treffend zusammen, dass diese erhebenden Gefühle eben besonders gut in Kontrast zu Genoziden (von Ruch so wortgewaltig wie leer als „Finsternis und Abgründigkeit der größten Verbrechen“ bezeichnet) als Effekt hervorgerufen werden können. Ullrich zufolge verwundert es auch nicht, dass mit Martin Sellner einer der führenden Mitglieder der rechten „Identitären Bewegung“ sich explizit ein Vorbild an dem Ästhetikverständnis und den Aktionsformen des ZPS nimmt. Walter Benjamin hielt bemerkte bereits treffend: „Der Faschismus läuft folgerecht auf eine Ästhetisierung des politischen Lebens hinaus.“ (Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Nachwort. Frankfurt/M.: Suhrkamp 2007, S. 48). Auch wenn die Inhalte und Anliegen nicht gleichzusetzen sind, ähnelt sich die Form der Ästhetisierung und des angestrebten ‚Erlebnisses‘. Es geht also weniger um die Kritik an objektiven Verhältnissen, sondern um den nur gefühlten symbolischen Ausbruch des vereinzelten Individuums aus der empfundenen Sinnlosigkeit. Mit einer derartigen ästhetischen Selbstinszenierung versucht das ZPS (ganz im Sinne einer Gedenkkultur wegen Auschwitz), irgendwie doch noch etwas Konstruktives aus der Shoah abzuleiten, und erträgt nicht, dass es da nichts Sinnhaftes, Positives gibt. Dass Ruchs Formulierungen vom Reichtum der Seele, Lichtintensität und Co. zudem starke Erinnerung an anthroposophische oder esoterische Denkweisen hervorrufen, verstärkt den bitteren Beigeschmack der von Ullrich herausgearbeiteten Analyse noch.
In der Beschreibung der Aktion durch das ZPS wimmelt es übrigens auch von Sprachbildern, die oft militärisch klingen („Zapfenstreich“) und teils der nationalsozialistischen Sprache recht nahe kommen – vom dort zu erwerbenden T-Shirt mit der Aufschrift „Nieder mit der AfD-Schande“ über den Aufruf zum „Schwur“ zur Verteidigung der deutschen Demokratie „bis aufs Messer“. In der Selbstbeschreibung auf der Homepage bezeichnet sich das ZPS auch als „Sturmtruppe zur Errichtung moralischer Schönheit“; ihr über ihre Kreise hinaus beliebter Schlachtruf lautet „Erinnern heißt Kämpfen!“. Was davon Absicht zur Erhöhung des Schockcharakters ist und was als unbewusster Anteil der eigenen Verhärtung in die Selbstdarstellung einfließt, sei dahingestellt.
Formen fragwürdiger Ästhetisierung eines vermeintlich moralisch überlegenen und linken ‚zivilen Ungehorsams‘ beschränken sich nicht nur auf das ZPS. Viele breitere politische Bewegungen laufen sich in symbolischen Versuchen des „Aufrüttelns“ leer. Darin drückt sich sicher auch die Ohnmacht gegenüber objektiven Verhältnissen aus. Politische Themen werden vor allem als symbolische Inszenierungen und mit dem (teils unbewussten) Ziel der Beruhigung der eigenen Befindlichkeit aufgegriffen. Allerdings ist es diese Flucht nach vorne, die kein kritisches Denken und Handeln ersetzt, sondern dessen Möglichkeit gerade im Weg steht: Wer sein Unrechtsbewusstsein schon durch ästehtisch-symbolische Aktionen als Teil einer gefühlten ‚Masse der Empörten‘ beruhigt, kann dann im Grunde ganz gut im bestehenden Elend so weiterleben.
Auch die umweltaktivistische „Extinction Rebellion“ (XR) lässt sich hier einreihen aufgrund ihrer drastischen Inszenierungen, die laut Jutta Ditfurth auf „mystisch-esoterisches Drama“ setzen (https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/jutta-ditfurth-zu-extinction-rebellion-irrationalismus-einer-endzeit-sekte-16422668.html). In der Kritik steht auch ihr Organisationscharakter, der sie als „Endzeitsekte“ (ebd.) erscheinen lasse (zum sektenähnlichen Erscheinungsbild vgl. auch https://www.bento.de/politik/extinction-rebellion-aussteiger-berichtet-kann-den-eindruck-einer-sekte-erwecken-a-e7df395d-332d-4942-b29e-83b5912fb761). Zuletzt geriet auch XR in Zusammenhang mit dem Thema Antisemitismus in den Blick: Der Gründer Roger Hallam hatte die Shoah relativiert, und auch weitere Äußerungen von XR-Mitgliedern gehen in eine ähnliche Richtung (vgl. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/wie-steht-extinction-rebellion-zum-holocaust-16512154.html). XR Deutschland hat sich zwar im Zuge der Kritik von der Aussage Hallams distanziert, allerdings bleibt abzuwarten, wie diese Distanz nachhaltig überzeugend aufrechterhalten werden kann. An pathetischer Bildsprache spart jedenfalls auch etwa die Ortsgruppe XR Hamburg nicht, wenn sie als Protest gegen den „Cruise Day“ im Hamburger Hafen in weiße Gewänder gekleidet Treppenstufen mit roter Farbe „blutüberströmt“ in Szene setzt.
Wie weit, neben allen anderen problematischen Aspekten, solchen Aktionsformen noch mit dem Label „ziviler Ungehorsam“ beizukommen ist, ist fraglich, wenn etwa XR Hamburg im Nachgang zum inszenierte Blut-Bild bemerkt: „wir haben das natürlich alles wieder weg gemacht. Die Treppen waren hinterher sauberer als zuvor.“ (https://twitter.com/xrebellion_hh/status/1172880605685735429/photo/1?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1172880605685735429&ref_url=https%3A%2F%2Fwww.tag24.de%2Fnachrichten%2Fcruise-days-protest-blut-hamburg-extinction-rebellion-kreuzfahrtschiff-klimawandel-1214420). Dadurch verkommt Protest schließlich zu einem Ritual von Opposition, das letztlich nur auf Komplizenschaft aus ist. Wie die Beliebtheit derartiger Aktionsformen bestätigt, bieten diese ästhetischen Selbstinszenierungen einen Ersatz für politische Praxis und die Flucht vor der Reflexion auf die eigene weitgehende Ohnmächtigkeit gegenüber dem Leid auf der Welt an. Vor allem aber steht dahinter häufig eine Form von Selbstvergewisserung und Inszenierung der eigenen moralischen Überlegenheit. Der Einspruch gegen politische Probleme dieser Zeit sollte also gerade nicht derartigen Formen der Ästhetisierung des Schocks überlassen werden.