Am Tag der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus, also dem 27.01.2015, riefen wir zu einer Gedenkkundgebung am Deportationsmahnmal Schlachthoframpe auf. Anlass war der 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Unserem Aufruf folgten ca 65 Personen. Nach Redebeiträgen von Lukas Weber (KI:Wi), Gabriel Nyc (Ver.di Jugend) und Ricardo Lenzi Laubinger (Sinti Union Hessen) wurden Blumen, Kerzen und ein Kranz am Mahnmal niedergelegt. Danach liefen alle Teilnehmer*innen gemeinsam zum Mahnmal für die ermordeten und deportierten Wiesbadener Sinti und Roma, um dort ebenfalls Kerzen zu entzünden und Blumen nieder zu legen.
Um unsere Botschaft sowie das allgemeine Erinnern an diesen Tag in die breite Öffentlichkeit zu tragen, wurde vor dem Schlachthof, pünktlich zum Berufsverkehr auf der nahegelegenen Bahnlinie , ein ca 25m langes Banner aufgehängt und ausgeleuchtet, das den Titel der Kundgebung trug. “Wir alle müssen dies als unsere Aufgabe verstehen: an das Unfassbare zu erinnern, zu dem die Menschen im Nationalsozialismus fähig waren, um zu verhindern, dass sich etwas Ähnliches je wiederhole.” so Lukas Weber. Weiterhin dürfe “…die Singularität der Shoah nicht verharmlost werden, indem heutige Formen von Ausgrenzung mit ihr gleichgesetzt würden.”, so Weber weiter.
Auch Gabriel Nyc ging auf die aktuellen Entwicklungen ein und betonte, dass den Rassist*innen von PeGiDa kein Platz auf der Strasze und in den Köpfen gelassen werden darf. Ricardo Lenzi Laubinger erzählte in seinem sehr bewegenden Redebeitrag von der Verfolgung der Sinti in Wiesbaden. Abschlieszend stellte Lukas Weber fest: “Es gab keine ‘Stunde Null’ in Deutschland nach dem Ende des Nationalsozialismus, weder auf staatlicher Ebene, noch in den Köpfen der Mehrheitsgesellschaft. Gerade, wenn heutzutage der Ruf nach einem ‘Schlussstrich’ in Bezug auf den Nationalsozialismus wieder lauter wird, wenn viele Menschen die Vergangenheit ruhen lassen und endlich wieder ‘stolz’ auf ‘ihr’ Land sein wollen, muss die Erinnerung an das, was hier passiert ist, lebendig gehalten werden.”
An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal beim Schlachthof Wiesbaden für die Kooperation und die Unterstützung in Sachen Strom und Licht bedanken!
Unser Aufruf:
Die Kritische Intervention Wiesbaden ruft am 27.01.2015 (Tag der Erinnerung an die Ofer des NS-Regimes) zu einer Kundgebung am Deportationsmahnmal „Schlachthoframpe“ auf.
Am 27.01.2015 jährt sich zum 70. Mal die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz – für uns nicht nur ein Grund zu gedenken, sondern auch zu mahnen. Theodor W. Adorno, ein kritischer Intellektueller, der als Jude im NS verfolgt wurde und in die USA floh, schrieb 1966: “Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, daß ich weder glaube, sie begründen müssen noch zu sollen.”
(Theodor W. Adorno: Erziehung nach Auschwitz. In: Gesammelte Schriften, Bd. 10.2, S. 675-690.).
Wir alle müssen dies als unsere Aufgabe verstehen: an das Unfassbare zu erinnern, zu dem die Menschen im Nationalsozialismus fähig waren, und zu verhindern, dass sich etwas Ähnliches je wiederhole.
Am 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz wollen wir deshalb allen Opfern und Verfolgten des Naziregimes gedenken, die – auch von der Schlachthoframpe in Wiesbaden aus – nach Theresienstadt oder in andere KZs und Vernichtungslager deportiert wurden, die durch den deutschen Vernichtungswillen ums Leben kamen, sich im Untergrund verstecken oder fliehen mussten. Gerade jetzt, wo kaum noch Überlebende ihre Geschichte erzählen können, müssen wir neue Wege finden um an die Schrecken des NS zu mahnen.
Im Jahr 2014 haben in Deutschland viele durch eine Art Party-Patriotismus eine zweifelhafte Identität gefunden, ein kollektives „Wir Gefühl“, das durch den Gewinn des WM-Titels der DFB-Auswahl nur noch bestärkt wurde. Was das Ergebnis dieses neuen ungezwungen Patriotismus ist, zeigte sich spätestens nach dem Sieg im WM-Finale: Es kam in ganz Deutschland zu zahlreichen rechten und rassistischen Übergriffen. Auch linke Kneipen, Projekte und links-alternative Menschen, die sich dieser kollektiven Party nicht anschließen wollten, wurden Opfer.
Die Forderung, “daß Auschwitz nicht noch einmal sei”, schließt auch unsere Pflicht mit ein, uns jeglicher Form von Antisemitismus, “Antiziganismus“, antimuslimischem Rassismus, Homophobie, Rassimus gegen POC, und anderen Arten von reaktionären Ausgrenzungsmechanismen entschieden und mit allen Mitteln entgegenzustellen – besonders in Zeiten, in denen wieder im Namen einer angeblichen “Volksgemeinschaft” Massen auf die Straße gehen; in denen Menschen ausgegrenzt, bedroht und angegriffen werden, weil sie nicht dazugezählt werden; in denen die Zahl der rassistischen, antisemitischen und antimuslimischen Übergriffe in Europa rasant zugenommen hat und viele Jüdinnen und Juden auswandern, da sie sich hier nicht mehr sicher fühlen.
Gedenkkundgebung:
27.1.2015 um 16.30 Uhr am Mahnmal “Schlachthoframpe”
Wir wollen nach einigen kurzen Redebeiträgen (u.a. Kritische Intervention Wiesbaden, ,Ricardo Lenzi Laubinger (Vorsitzender, Sinti-Union Hessen), Gabriel Nyc (Verdi Jugend Südhessen/Wiesbaden)) gemeinsam im Gedenken an alle vom Naziregime Verfolgten einen Kranz niederlegen und Kerzen entzünden. Im Anschluss gehen wir gemeinsam zum Mahnmal für die deportierten und ermordeten Wiesbadener Sinti und Roma um auch dort Kerzen aufzustellen.